Chronologie

CHRONOLOGIE DER HISTORISCHEN EREIGNISSE 1524-2024

Mit einer Vielzahl an Veranstaltungen erinnern wir uns dieses Jahr daran, dass sich 1524 die Herren und Gemeinden der drei Bünde zum Freistaat Gemeiner Drei Bünde, dem Vorläufer des heutigen Kantons, zusammenschlossen.

Folgend eine Chronologie der Vorgänge und Zustände, die das bündnerische Gemeinwesen und die bündnerische Gesellschaft in den letzten fünfhundert Jahren geprägt haben.

VORAUSSETZUNGEN

451 n.Chr. Chur ist als Bischofssitz nachgewiesen1

8. Jh. Gründung der Klöster Disentis, Pfäfers und Müstair2

843 n.Chr. Im Vertrag von Verdun wird Churrätien dem ostfränkischen Reich (später Deutsches Reich) zugeschlagen3

10.-12. Jh. Der Bischof von Chur ist der wichtigste Landesherr, neben ihn treten ab dem 12. Jahrhundert weltliche Adelige.4

13./14. Jh. Familien aus dem Wallis wandern in die Bündner Hochtäler ein. Bis heute prägen die Walserinnen und Walser die Kultur und die Geschichte Graubündens mit.5

Gerichtsgemeinden entstehen. Sie streben die Selbstverwaltung mit freier Wahl des Richters (Landammanns) an und beginnen sich damit von feudaler Herrschaft zu lösen.

Quellennachweis

1367

Gotteshausbund

Ständischer Zusammenschluss

Im Jahr 1367 schliessen sich die dem Bischof von Chur unterstehenden geistlichen, adligen und bäuerlichen «Stände» zusammen. Es sind dies erstens das Domkapitel von Chur, zweitens der ritterliche Dienstadel und drittens die Talgemeinden Domleschg und Schams, Oberhalbstein, Bergell, Oberengadin, Unterengadin sowie die Stadt Chur. Die Stände wollen in der bischöflichen Landesverwaltung mitreden und bilden dazu einen Rat. Der Zusammenschluss des «Gemeinen Gotteshauses zu Chur» von 1367 ist strukturell und rechtlich noch kein eigentlicher Bund. Aber durch die Versammlungen der Talgemeinde-Vertreter und durch Bündnisse mit dem Oberen Bund und dem Zehngerichtebund gewinnt das Gemeine Gotteshaus an Handlungsmacht. So gilt es schliesslich ebenfalls als Bund und wird auch offiziell so genannt: «Gotteshausbund».6

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1395

Oberer / Grauer Bund

Gründung

Der vorerst Oberer Bund genannte Zusammenschluss entsteht 1395 in Ilanz. Hauptinitiant ist der Abt des Klosters Disentis; als weitere «Hauptherren» gelten der Freiherr von Rhäzüns und der Freiherr von Sax-Misox. Von Bedeutung ist aber auch die Mitwirkung der Gerichtsgemeinden Disentis (unter der Herrschaft des Klosters) und Lugnez (unter saxischer Herrschaft). Wenige Tage später tritt der Graf von Werdenberg-Sargans mit der Gemeinde der Freien von Laax bei. Hintergrund des Bündnisses ist eine Reihe von Fehdekriegen, unter denen Verkehr und Handel stark gelitten haben. Dementsprechend soll der Obere Bund vor allem der Friedenswahrung zwischen den Bündnispartnern dienen. Am 16. März 1424 wird er zu Trun neu beschworen. Dabei ist nun ein ganzes Dutzend Gemeinden mit vertreten. Einige von ihnen nehmen sogar selbständig teil, ohne Rücksicht auf ihre Herren, so vor allem Schams und Rheinwald. Anlässlich der Neubeschwörung von 1424 wird die zentrale Institution des Bundes, das gemeinsame Gericht, ausgebaut. Im Jahr 1480 tritt das Misox bei. Das ganze Gebilde wird nun immer öfter Grauer Bund genannt – dies in Anspielung auf die grauwollene Kleidung seiner Angehörigen, der «grauen Puren».7

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1436

Zehngerichtebund

Gründung

Der Zehngerichtebund wird am 8. Juni 1436 in Davos gegründet, nachdem der letzte Graf von Toggenburg, Friedrich VII., ohne männlichen Nachkommen verstorben war. Die Gerichtsgemeinden Davos, Klosters, Castels, Schiers, St. Peter, Langwies, Churwalden, Belfort, Maienfeld und Malans wollen mit dem Bündnis eine Aufteilung verhindern. Dennoch kommen sie in der Folge an verschiedene Landesherren. Im späten 15. Jh. übernehmen die Herzöge von Österreich die Herrschaft über alle Gerichtsgemeinden ausser Maienfeld und Malans. Mit dem Zehngerichtebund und den Drei Bünden im Rücken können die Gemeinden gegenüber Österreich eine gewisse Selbständigkeit wahren. Doch erst 1649/52 gelingt es ihnen, sich von der österreichischen Herrschaft loszukaufen.8

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1471

Bündnis zwischen dem Oberen Bund und dem Zehngerichtebund

Bilaterales Bündnis

Nach den bilateralen Bündnissen zwischen dem Oberen Bund und dem Gotteshausbund (1406) sowie zwischen dem Gotteshaus- und dem Zehngerichtebund (1450) schlossen 1471 auch noch der Obere Bund und der Zehngerichtebund miteinander ein Bündnis. Damit war jeder Bund mit jedem der beiden anderen direkt verbündet – und die «Architektur» der Drei Bünde war vollendet. Seit dieser Zeit hielten die Drei Bünde auch schon gemeinsame Bundstage ab. Tagungsort war öfters Vazerol. Der Weiler bei Brienz/Brinzauls war zentral gelegen: im Zehngerichtebund, aber ganz nahe an der Grenze zum Gotteshausbund und auch unfern vom Oberen Bund. Weil 1471 das dritte und letzte zweiseitige Bündnis geschlossen worden war, entstand der «Mythos von Vazerol»: Man glaubte, in Vazerol sei damals ein dreiseitiger Bund beschworen worden. Dieser unhistorischen Ansicht verdankt das Vazerol-Denkmal auf dem Regierungsplatz in Chur (ein dreiseitiger Obelisk) seine Existenz.41

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1499

Schwabenkrieg / Schlacht an der Calven

Tiefgreifender Konflikt

Im Schwabenkrieg kämpfen die Drei Bünde auf Seiten der Eidgenossen gegen den König Maximilian I. und den Schwäbischen Bund. Dabei versuchen die Bündner vor allem die österreichischen Herrschaftsansprüche im Unterengadin und im Münstertal abzuwehren. Den dramatischen Höhepunkt der Auseinandersetzungen bildet die Schlacht an der Calven am 22. Mai 1499. In der Talenge zuunterst im Münstertal haben die österreichischen Truppen eine Sperre errichtet; im Sturm auf diese «Schanze» verliert Benedikt Fontana, Hauptmann der Gotteshausleute, sein Leben. Der Sieg an der Calven trägt den Drei Bünden im Frieden von Basel (1499) zwar nicht die erhoffte Loslösung von den österreichischen Herrschaftsrechten ein. Gestärkt wird jedoch das Freiheitsbewusstsein des jungen republikanischen Staatswesens.9

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1496 • 1509 • 1516 • 1523

Soldverträge mit Frankreich

Söldnerwesen

Bereits 1496 hat der Graue Bund mit Frankreich einen Soldvertrag geschlossen. Dieses Abkommen wird 1509 seitens aller Drei Bünde erneuert. Damit werden die Söldnerdienste, die bis dahin keine Regulierung kannten, einer staatlichen Kontrolle unterstellt. Daneben werden in den Verträgen freier Markt und Güterverkehr vereinbart. Nach seinem Sieg in der Schlacht von Marignano (1515) schliesst König Franz I. von Frankreich 1516 mit den unterlegenen Eidgenossen und Bündnern einen «Ewigen Frieden». Dabei wird ihm nochmals die Anwerbung von Soldtruppen erlaubt, während er sich zur regelmässigen Zahlung von «Pensionen» (jährlichen Geldbeträgen) verpflichtet. Jeder der drei Bünde soll den gleichen Betrag erhalten wie ein eidgenössischer «Ort» (Kanton). 1523 schliesst derselbe Monarch einen neuen Soldvertrag mit den Drei Bünden.10

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1500 • 1502 • 1518

Abkommen mit Österreich

Nachbarschaftliches Verhältnis

Die Drei Bünde einigen sich mit dem König und späteren Kaiser Maximilian über gute Nachbarschaft, Zollreduktionen in Tirol und Vorarlberg sowie schiedsgerichtliche Lösung allfälliger Konflikte. Dem 1500 vom Gotteshaus- und dem Zehngerichtebund besiegelten Vertrag schliesst sich 1502 auch der Graue Bund an. 1518 wird das Abkommen als «Erbeinung» bestätigt. Es behält bis 1798 seine Gültigkeit.11

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1512

Eroberung des Veltlins

Untertanenlande

Der Erwerb des Veltlins mit Bormio und Chiavenna ist die grösste aussenpolitische Unternehmung der Drei Bünde zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Ungeachtet ihrer Verträge mit Frankreich schliessen sich die Bündner 1512 der von Kardinal Matthäus Schiner, Bischof von Sitten, gebildeten Koalition an; deren offizielles Haupt ist der Papst. Im «Grossen Pavierzug» helfen die Bündner den Eidgenossen, die Franzosen aus der Lombardei zu vertreiben. Bei dieser Gelegenheit besetzen sie Veltlin und Bormio sowie Chiavenna und die Drei Pleven zuoberst am Comersee. Sie eignen sich diese Gebiete als Untertanenlande an. Davon gehen allerdings die Drei Pleven im Zuge der Müsserkriege (1525, 1531) an das Herzogtum Mailand verloren.12

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1523

Reformation in Chur

Neuer Glaube

Der Churer Stadtpfarrer Johannes Comander macht Chur zum Zentrum der reformatorischen Bewegung in den Drei Bünden. In den Jahren 1523-1527 setzt sich die evangelische Glaubenslehre in der Stadt durch.

1524

Bundsbrief der Drei Bünde

Gründung

Mit dem Bündnis vom 23. September 1524 beginnt die Zeit des Freistaats der Drei Bünde (1524–1799), welcher anschliessend in den «Canton Rätien» als Teil der Helvetischen Republik und schliesslich 1803 in den Kanton Graubünden als Teil der Eidgenossenschaft überführt wird.

Eine politische Zusammenarbeit der Drei Bünde hat es schon vor 1524 gegeben – angefangen bei den gemeinsamen «Wormser Zügen» 1486/87 gegen das Herzogtum Mailand. Im Ersten Ilanzer Artikelbrief vom 4. April 1524 hat man zuletzt noch gemeinsam Satzungen zum Kirchenwesen erlassen.

So findet man nun offenbar, dass es an der Zeit sei für einen gemeinsamen Bundsbrief. Dieser ersetzt die jeweils bilateralen Bündnisverträge des 15. Jh., insbesondere denjenigen von 1450 (zwischen dem Gotteshaus- und dem Zehngerichtebund) sowie jenen von 1471 (zwischen dem Grauen Bund und dem Zehngerichtebund).

Der grosse Abwesende im Bundsbrief von 1524 ist der Bischof von Chur – obgleich Haupt des Churer Gotteshauses sowie Hauptherr des Grauen Bundes (als Inhaber der ehemals saxischen Herrschaften). Der Oberhirte ist angesichts der reformatorischen Bewegung ins Exil gegangen. Die Bundsbrief-Fassung von 1544 hingegen wird vom damaligen Bischof – Luzi Iter, ein Churer Bürger – mitgesiegelt.

1524 • 1526

Ilanzer Artikel

Gemeinden und Kirche

Die beiden Ilanzer Artikelbriefe von 1524 und 1526 regeln das Kirchenwesen im Interesse der Gemeinden:

  • Die Gemeindepfarrer sollen eine vorbildliche Lebensführung an den Tag legen.
  • Die Gemeinden haben das Recht, ihre Pfarrer selbst zu wählen und zu entlassen. (Mit der Wahl eines evangelischen Predigers oder aber eines katholischen Priesters entscheidet eine Gemeinde zugleich über ihre Konfessionszugehörigkeit.)
  • Es dürfen keine neuen Klöster gegründet werden und die bestehenden dürfen keine Novizen bzw. Novizinnen mehr aufnehmen.
  • Die Zehntabgaben der Bauern – die letztlich einer Kirchensteuer entsprechen – werden reduziert.
  • Messstiftungen können aufgehoben werden, falls die Stifter oder deren Nachfahren dies wollen.
  • Die Kompetenzen des geistlichen Gerichts am bischöflichen Hof werden eingeschränkt.
  • Der Bischof darf keine weltlichen Amtleute mehr ernennen. (Einer der weitreichendsten Artikel, der jedoch mit am wenigsten eingehalten wird.)

Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, dass sich die Reformation in vielen Gemeinden durchsetzt. Ob die Ilanzer Artikel effektiv angewendet werden, wird jedoch oft einzelfallweise vor Ort in einem speziellen Gerichtsverfahren entschieden. Trotzdem gelten die beiden Ilanzer Artikelbriefe wie der Bundsbrief als Landesrecht des Dreibündestaates bis zu dessen Untergang 1798.13

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1527 • 1552 • 1560 • 1562

Rätoromanische Literatur

Pionierhafte Autoren

Mit den ab 1527 entstandenen ladinischen Texten des Oberengadiner Notablen Gian Travers nimmt die rätoromanisch-volkssprachliche Schriftkultur ihren Anfang. Die ersten rätoromanischen Druckwerke sind die von Jachiam Bifrun, einem weiteren Oberengadiner, besorgten ladinischen Übersetzungen des Churer Katechismus 1552 (gedruckt bei Dolfino Landolfi in Poschiavo) sowie des Neuen Testaments 1560 (bei Jakob Kündig in Basel), gefolgt vom geistlichen Liederbuch mit Katechismus, das der Unterengadiner Ulrich Campell/Durich Chiampell 1562 herausgibt (ebenfalls bei Kündig in Basel).14

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2. HÄLFTE 16. JAHRHUNDERT

Der Dreibündenstaat im geopolitischen Spannungsfeld

Aussen- und Parteipolitik

Aufgrund der geografischen Lage treffen im «Der Freistaat der Drei Bünde» die Interessen zweier Machtblöcke aufeinander: Frankreich und Venedig einerseits, Österreich und Spanien andererseits. Beide Seiten werben um Bündnisse, Söldnerkontingente und Durchmarschrechte. Ihre jeweiligen Anhänger in den Drei Bünden stehen sich als verfeindete Parteien gegenüber. Satzungen gegen die Annahme von Pensionen, Geschenken und Bestechungsgeldern können den Einfluss fremder Geldströme nicht eindämmen. Es kommt zu populistischen «Strafgerichten», die Korruptionsfälle ahnden wollen; doch die Tribunale werden von den beiden Parteien gegeneinander instrumentalisiert.15

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1573

Raetiae alpestris topographica descriptio

Landeskunde

In den Jahren nach 1570 verfasst der in Susch geborene reformierte Pfarrer Ulrich Campell auf Lateinisch die erste umfangreiche Beschreibung Graubündens.16

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1600

Säumerei

Transitverkehr

Die Bündner Pässe gehören, nebst Brenner und Gotthard, zu den wichtigsten Verbindungen zwischen Nordeuropa und Italien. Um 1600 wird mit 14‘000 Saum (Saum = eine Nutztierlast) ein Höhepunkt erreicht. Im Dreissigjährigen Krieg (1618-1648) fällt das Transitgütervolumen auf ein Zehntel zurück; erst Ende des 18. Jahrhunderts werden wieder mehr als 10‘000 Saum erreicht. Die Zolleinnahmen und Weggelder, Fuhrlöhne und andere Verkehrseinkünfte machen den Gütertransit zur zweitgrössten Einnahmequelle der Bündner Volkswirtschaft.17

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1603

Bündnis mit Venedig

Nach langem Werben Venedigs und seiner Anhänger gehen die Drei Bünde mit der einflussreichen Nachbarrepublik ein Bündnis ein. Der Vertrag stört jedoch das bisherige Gleichgewicht in der Aussenpolitik. Dass ein Jahr später ein ähnliches Abkommen mit dem spanischen Herzogtum Mailand abgelehnt wird, führt zu einem Handelsembargo und zum Bau einer spanischen Festung am Eingang des Veltlins. Der spanische Druck im Süden verstärkt auch die Spannungen im Veltlin.18

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1607-1639

Bündner Wirren

1607/1618/1619 Der Parteienstreit in den Drei Bünden führt zu Unruhen, Fähnlilupfen (bewaffneten politischen Versammlungen) und Strafgerichten.

1620 Aufgrund des lang gehegten Wunsches, die bündnerische Fremdherrschaft abzuschütteln sowie den Protestantismus auszurotten, kommt es zum sogenannten Veltliner Mord. Bei dem von der Veltliner Führungsschicht angezettelten Aufstand werden ca. 600 Reformierte ermordet; die übrigen fliehen aus der Talschaft. Damit ist der Protestantismus südlich der Alpen vollständig marginalisiert und die Herrschaft der Bündner vorübergehend ausgeschaltet. Versuche der Rückeroberung scheitern. Aus Rache werden in der Folge spanische Parteigänger in den Drei Bünden, unter anderem deren Anführer Pompejus von Planta, ermordet.19

1621/1622 Nachdem österreichische und spanische Truppen ins Land eingefallen sind, müssen die Drei Bünde auf seine Untertanenlande verzichten (Mailänder Artikel, Lindauer Vertrag). Österreich reaktiviert seine Herrschaftsrechte im Prättigau, auf Davos, im Schanfigg und in Churwalden sowie im Unterengadin und verbietet die reformierte Konfession in diesen Talschaften. Dies führt im Frühling 1622 zum Prättigauer Aufstand und der Vertreibung der Österreicher. Doch bereits im Herbst 1622 dringen wieder österreichische Truppen ins Hoheitsgebiet der Drei Bünde ein, und Entsprechendes geschieht 1629. Diesen Invasionen schliesst sich jeweils eine ca. zweijährige Besatzungszeit an.20

1624 Mit der Hilfe Frankreichs verdrängen Bündner Truppen die spanische Besatzung aus dem Veltlin. Allerdings verbleibt die Talschaft gemäss dem Vertrag von Monzon (1626) bei Spanien.

1634 Im Auftrag Frankreichs besiegt Herzog Henri de Rohan mit französischen und bündnerischen Truppen die spanische Besatzung im Veltlin. Als sich jedoch abzeichnet, dass das Gebiet erneut nicht den Bündnern zurückgegeben werden soll und weil Frankreich mit Soldzahlungen im Rückstand ist, werden heimlich Kontakte zu Österreich und Spanien geknüpft.

1637 Bündner Offiziere sind bereit, mit ihren Truppen in spanischen Sold zu treten (Kettenbund) und es kommt – angeführt von Jörg Jenatsch – zum Aufstand gegen Rohan.

1639 Im Ersten Mailänder Kapitulat erhalten die Bündner das Veltlin zurück, mit der Einschränkung, dass der Protestantismus keinen Platz mehr haben soll. Im gleichen Jahr wird Jörg Jenatsch in Chur ermordet. Er hat sich viele Feinde gemacht und ist der Aristokratie zu mächtig geworden.21

1649/52 Durch den Westfälischen Frieden 1648 erlangt auch der Dreibündenstaat als «Zugewandter Ort» der Eidgenossenschaft die formelle Unabhängigkeit vom Deutschen Reich. Von grösserer Tragweite ist der Loskauf der habsburgischen Herrschaftsrechte im Zehngerichtebund und im Unterengadin, der den betreffenden Gemeinden 1649 und 1652 gelingt. Als österreichische Herrschaften in den Drei Bünden bleiben nur Tarasp (bis 1803) und Rhäzüns (bis 1819) bestehen.22

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16. UND FRÜHES 17. JAHRHUNDERT

Pestzüge

Zwischen 1349 und 1635 kommt es in Graubündens periodisch zu Pestausbrüchen. So erlebt die Stadt Chur um die Mitte des 16. Jahrhunderts mehrere Seuchenzüge. Am schlimmsten aber wütet die Pest während der Bündner Wirren, vor allem in den Jahren 1623 und 1629.

2. HÄLFTE 17. JAHRHUNDERT

Hexenprozesse

Soziale Konflikte

Die Drei Bünde gehören mit über 1000 Prozessen zu den Gebieten mit den meisten Hexenverfolgungen, was auch mit der basisnahen Rechtsprechung in den Gerichtsgemeinden zusammenhängt. Opfer dieser Prozesse, welche in mehr als der Hälfte der Fälle mit der Todesstrafe enden, sind vor allem erwachsene Frauen, manchmal aber auch minderjährige Kinder. Nachdem erste Prozesse bereits in den 1580er Jahren abgehalten werden, fällt der Schwerpunkt in die 1650er und 1670er Jahre sowie in die Zeit um 1700; danach hören die Verfahren auf. Den Hintergrund der Hexenprozesse bilden Nachbarschaftskonflikte und die Zurückdrängung ausserkirchlicher Glaubensvorstellungen.23

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2. HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT

Schulen in Haldenstein, Marschlins, Jenins und Reichenau

Schulwesen

Die ersten Versuche, eine höhere Landesschule zu schaffen (1584, 1618/19), sind nicht erfolgreich. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstehen im Zuge der Aufklärung Bildungsanstalten in Haldenstein (1761), Marschlins (1771), Jenins (1787) und Reichenau (1793).24 Schon deutlich früher gibt es in den reformierten Gebieten einen Ansatz zur Institutionalisierung der Volksschule: Eine vom evangelischen Teil des Bundstags 1628 erlassene Kirchenordnung verpflichtet die Gemeinden zum Betreiben von Schulen.25

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1797

Verlust des Veltlins

Verpasste Chancen

1792 hat ein letzter Versuch der Veltliner, ihre Situation im Dreibündestaat mit dem «Progetto finale» zu verbessern, kein Gehör gefunden. Nachdem auch noch zwei weitere von Napoleon eingeräumte Gelegenheiten, die Stellung der Untertanenlande aufzuwerten, von den Bündnern nicht genutzt worden sind, stimmt die Bevölkerung im Veltlin, in Bormio und in Chiavenna 1797 dem Anschluss an die Cisalpinische Republik zu. Damit sind diese Gebiete für den bündnerischen Staat endgültig verloren.26

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1798-1800

Kriegsschauplatz

Besatzungen der Grossmächte

Die Drei Bünde können sich nicht für die Französische Revolution, aber auch nicht für das aristokratische Habsburg-Österreich entscheiden und werden zum Kriegsschauplatz. Je zwei Mal besetzen Frankreich und Österreich mit Truppen das Gebiet des Dreibündestaates.27

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1799

Helvetische Republik

Ende der Eigenstaatlichkeit

Der Vertrag über die Eingliederung Graubündens in die Helvetische Republik wird 1799 unterzeichnet und Mitte des Jahres 1800 vollzogen. Damit ist das Ende des alten Freistaats besiegelt.28

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1803

Kanton Graubünden

Kantonsgründung

Nachdem Napoleon den Deputierten seine Entscheide zur neuen Verfassung der Eidgenossenschaft mitteilt, wird Graubünden definitiv mit der Schweiz vereint. Die neue Kantonsverfassung führt zur weitgehenden Wiederherstellung der alten Bünde, Hochgerichte und Gerichtsgemeinden, wobei das Gemeindereferendum zugunsten des Grossen Rates etwas eingeschränkt wird. Im Sitzungssaal des Churer Rathauses findet im April die erste Sitzung des Grossen Rates statt.29

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1818-1823

Commercialstrasse

Transitwege

Nach Verhandlungen mit Sardinien-Piemont und Österreich werden mit der Finanzhilfe dieser Mächte 1818–1823 die «Kunststrassen» über den San Bernardino und über den Splügenpass erstellt (Untere Strasse). Bis 1840 wird die Route über den Julier- und den Malojapass (Obere Strasse) entsprechend ausgebaut. 1856 erreicht der Transitverkehr das höchste Volumen.30

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Seit 1850

Der moderne Tourismus

Neuer Wirtschaftssektor

Der Fremdenverkehr, wie der moderne Tourismus zunächst genannt wird, nimmt in den 1850er Jahren Fahrt auf, dies auch dank lokalen Pionieren wie Alexander Spengler in Davos (1853) und Johannes Badrutt in St. Moritz (1855). Voraussetzung für den Aufschwung ist der Ausbau der Beherbergungs- und Transportmöglichkeiten. Zunächst kommen die Reisenden vornehmlich in den Sommermonaten, zu Kuraufenthalten, später auch in der Wintersaison, zum Sporttreiben. 1934 nimmt in Davos der erste Skilift den Betrieb auf, aber es dauert bis in die 1960er Jahre, dass der Winter- den Sommertourismus überflügelt.31

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1854

Neue Kantonsverfassung

Staatlichkeit

Die Gründung des schweizerischen Bundesstaates 1848 ruft im Kanton Graubünden nach einem Modernisierungsschub. Die Verfassung von 1814 bot dem Kanton und der Regierung nur wenig Gestaltungsmöglichkeiten; die Gerichtsgemeinden behielten weitgehend die Kontrolle über die Gesetzgebung. Erst die Gebietsreform von 1851 und die Kantonsverfassung von 1854 eröffnen den kantonalen Behörden neue Handlungsspielräume. Die Gerichtsgemeinden werden nun aufgehoben; in Referendumsabstimmungen gilt neu nicht mehr das Gemeinde-, sondern das Volksmehr. Die strafgerichtlichen Kompetenzen der Gerichtsgemeinden gehen an die Kreisgerichte über. Die Rolle der politischen Gemeinden wird von den Nachbarschaften (Lokalgemeinden) übernommen.32

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1870

Gründung der Graubündner Kantonalbank

Kreditwesen

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird in Graubünden eine Reihe von Banken gegründet, darunter 1870 die Graubündner Kantonalbank als Staatsbank. Einige Bankhäuser besorgen speziell die Finanzierung der touristischen Infrastruktur. Die vom Ersten Weltkrieg ausgelöste Tourismuskrise führt folglich zu einem Bankensterben. Nach dem Zweiten Weltkrieg bleibt schliesslich die Graubündner Kantonalbank als einzige rein bündnerische Bank übrig.33

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1889

Geburtsstunde der Rhätischen Bahn

Eisenbahnbau

Als die Ambitionen für eine Ostalpenbahn mit der Eröffnung der Gotthard-Bahnlinie (1882) endgültig begraben werden müssen, ist die Betroffenheit in Graubünden gross. Auf private Initiative wird 1889 die Schmalspurbahn Landquart-Davos eröffnet. Der Kanton übernimmt 1897 deren Aktien, und mit Hilfe des Bundes entsteht in kurzer Zeit das heutige Bahnnetz.34

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1925

Die Anfänge des Automobils

Verkehrspolitik

1900 wird für den Kanton Graubünden ein totales Fahrverbot für Autos durchgesetzt. Zehn Urnengänge sind erforderlich, bis es 1925 zur «teilweisen Zulassung des Automobils» kommt.35

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1941

Kantonsspital

Gesundheitswesen

Das Rätische Kantons- und Regionalspital in Chur wird 1941 eröffnet und bildet mit dem Kreuzspital (seit 1853) und dem Frauenspital Fontana (seit 1917) ein Spitalzentrum.36

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1967

San Bernardino Tunnel

Strassenausbau

Das Alpenstrassenprogramm des Bundes ermöglicht die erforderliche Anpassung des gesamten Bündner Strassennetzes. Die wichtigsten Etappen sind die Eröffnung des Tunnels durch den San Bernardino (1967) sowie der Ausbau der A13.37

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1972

Einführung des Frauenstimmrechts

Politik

Nachdem auf Bundes- (1959) und Kantonsebene (1968) die Einführung des Frauenstimmrechts von der männlichen Stimmbevölkerung im Kanton Graubünden noch abgelehnt wird, nimmt der Souverän 1972 im Nachgang zur eidgenössischen Abstimmung (1971) das kantonale Stimm- und Wahlrecht für Frauen an. Auf kommunaler Ebene müssen einige Gemeinden 1983 zur Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts gezwungen werden.38

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1999

Vereinatunnel

Eisenbahntunnel

Kurz vor der Jahrtausendwende wird der Vereina-Eisenbahntunnel eröffnet. Damit ist eine neue, wintersichere Verbindung zwischen dem Prättigau und dem Unterengadin gewährleistet. Das «Jahrhundertwerk» stellt die erste Erweiterung des RhB-Netzes seit 1914 dar.39

Quellennachweis

2004

Totalrevision der Kantonsverfassung

Staatlichkeit

Während im 19. Jahrhundert noch vier Versuche zur Revision der Kantonsverfassung unternommen wurden, blieb die Kantonsverfassung im 20. Jahrhundert unverändert. Erst 2004 trat die neue Kantonsverfassung in Kraft.40

Quellennachweis